Bad Hersfeld & Thüringen 2022
8. April 2022
Unser ICE nach Erfurt hat eine halbe Stunde Verspätung, da werden wir den Anschlusszug von Erfurt nach Bad Hersfeld verpassen. Ich bin also ins Reisezentrum am Südkreuz, um Fahrradstellplätze für den ICE zwei Stunden später zu ergattern. Es war dort aber so voll, dass keine Chance bestanden hätte, unseren Zug nach Erfurt zu bekommen. Also blieb uns nichts anderes übrig, als mit Regionalzügen von Erfurt nach Bad Hersfeld zu fahren. Dies bedeutete zwar keinen Zeitverlust gegenüber dem späteren ICE, aber man musste in Eisenach und in Bebra zusätzlich umsteigen, lästig mit Rädern. Lange Gesichter, 2 Stunden zu spät in Bad Hersfeld. Als wir mit unserem Freund Hanni im Hotel ankamen, hatte der Schrauberkurs gerade angefangen.
Unser Fotofreund Claus-Werner hatte schon begonnen, eine Leica aus den Fünfzigern zu zerlegen. Ihn kennt fast jeder Leica-Fotograf, denn er hatte eine Reparaturwerkstatt in Hannover, hat sich aber inzwischen zur Ruhe gesetzt. Siegrid, seine Frau, trafen wir gleich an der Rezeption. Sie wollte lieber in die Stadt, als sich eine zerlegte Leica anzuschauen, was sie in den vielen Ehejahren sicher schon oft gesehen hatte. Abends noch Friedhelms Vorstellung von Kameras und Objektiven aus DDR-Produktion und hinterher noch etwas Schnack. Viele bekannte Gesichter, die richtige Begrüßung fand dann beim Abendessen statt. Es gab leckere hessische Spezialitäten. Abends ging es noch zu Friedhelms Fotoausstellung über Christos Verhüllung des Arc de Triomphe, im Kurhaus Bad Hersfeld. Friedhelm ist der Organisator des ganzen Fototreffens.
9. April 2022
Um 9:48 ging unser Zug in 10 Minuten nach Bebra, dem ehemaligen Grenzbahnhof zur ehemaligen DDR. Dort gibt es eine permanente Ausstellung zum Bahnhof und seinem DDR-Pendant Gerstungen. Eine originalgetreue elektrische Eisenbahnlandschaft der beiden Bahnhöfe und viele zusätzliche Exponate, großartig. Pünktlich zum Mittagessen zurück, dann wurde die zerlegte Kamera wieder funktionsfähig zusammengebaut. Mir wären dabei die Hände feucht, zittrig und kalt geworden. Claus-Werner meisterte es souverän. Als Abschluss stellte uns Friedhelm das alte Polaroid-Sofortbild-System vor. Aus meiner Sicht war es schon putzig, was es einmal gab, wenn ich auch zugeben muss, dass dieses System in einigen Bereichen in der vordigitalen Zeit seine Daseinsberechtigung hatte.
10. April 2022
Nach dem Frühstück ging es zu einem Spaziergang zum Eisenberg im Knüllgebirge. Dies gab zusätzlich Gelegenheit zu Gesprächen. Nach dem Mittagessen trennte sich die Gruppe. Wir gingen noch zum Fotografieren in die Stadt und abends zu Brigitte und Friedhelm zum Essen.
11. April 2022
Zeitig los und durch das verwirrende Einbahnstraßen-System kompliziert aus Bad Hersfeld hinaus geradelt. Es ging über einen hohen Berg, aber sehr schön nach Eisenach. Am Opelwerk kurz vor Eisenach wollten die Beine nicht mehr richtig. Früher waren 75 km relativ einfach zu bewältigen, wir sind allerdings ziemlich außer Form. Schnell das gebuchte Hotel gefunden und noch etwas durch die Stadt geschlichen. Abends ging es in das benachbarte Augustiner-Restaurant. K. o. zeitig ins Bett.
12. April 2022
Nach der gestrigen Erfahrung haben wir unsere Tour nach Erfurt durch die Bahnfahrt bis Gotha abgekürzt. Kurzer Stadtbummel durch Gotha und dann wellig per Rad Richtung Erfurt. Auch die kürzere Strecke war anstrengend genug. Kurz vor Bindersleben, dem Erfurter Flughafen, bei meiner Ex-Kollegin Katja angerufen. Ja, sie sind noch vor Ort. So konnten wir bei einer Pause den neuen Außensichtersatz bestaunen. Ab dem 28. April wird dann der Erfurter Tower von Leipzig aus fernbedient, was schon mit Saarbrücken passiert. Ich habe so meine Zweifel, ob das so gut ist. Im Normalbetrieb geht so etwas sicher einwandfrei, bei Unfällen sicher sehr schlecht. Beruflich war ich öfters bei der Flugsicherung in Erfurt. Noch ein Gespräch mit 2 Lotsinnen im Tower, die auch nach Leipzig müssen. Pendeln wird nicht möglich sein, da ist Leipzig zu weit weg von Erfurt. Mit Restauranttipps ausgestattet, sind wir leicht nach Erfurt hinunter geradelt. Im Hotel eingecheckt und die Räder in die Tiefgarage gebracht. Dann die ersten Eindrücke von Erfurt gesammelt, das wir eigentlich schon gut kennen.
Willy Brandt war am 19. März 1970 in Erfurt. In Wirklichkeit stand er im Fenster rechts daneben. Es war die erste Annäherung zwischen der BRD und der DDR. Ein wahrhaft historischer Besuch und von den Konservativen in Westdeutschland bis aufs Messer bekämpft. Sie hatten Unrecht! Gerade wir West-Berliner hatten davon stark profitiert. Vieles wurde dadurch leichter. Dass nun ausgerechnet Markus Wolfs DDR-Auslandsgeheimdienst mit Günther Guilleaume Brandt eine Laus in den Pelz gesetzt hatte und ihn dadurch zu Fall gebracht hatte, spricht für die Instinktlosigkeit der DDR-Oberen. Wir schauten gerne und mit Bewunderung zum Fenster gegenüber dem Bahnhof in Erfurt hoch.
13. April 2022
Nach dem Frühstück, weit ab von den gefährlichen Straßenbahnschienen, dafür aber mit Kopfsteinpflaster, zum Bahnhof gefahren. Wir wollten uns damit 8 km Radeln sparen, zumal die Thüringer Regionalbahn die Räder umsonst mitnimmt. Aber so richtig lohnte sich das nicht. Vom Bahnhof Hopfgarten die 250 Höhenmeter nach Buchenwald hinauf geradelt, auch etwas geschoben. Es gab Hinweisschilder zur Ettersburg, zum Ettersberg, dem KZ-Buchenwald, waren keine da. In dieser Gegend ist Goethe halt wichtiger als so ein Monstrum. Wir waren aber dank GPS gut ausgestattet. Das KZ ist eine Riesenanlage, die Baracken stehen nicht mehr, aber das Krematorium, eine Fabrik, einige Verwaltungsgebäude, das Torhaus und die Häuser der Wachmannschaften. Nach der Befreiung Buchenwalds nutzten es die Sowjets sofort als Speziallager Nr. 2, für Nazis und missliebige Leute. Mit den Nazis waren die Sowjets wesentlich konsequenter als die Westalliierten. Allerdings ließ man die Häftlinge einfach verhungern. Es fehlte die Rechtsstaatlichkeit, die Nazis wurden einfach kategorisiert. Die SS und der SD vorneweg. Wir rauschten den Berg runter, die 20 km nach Erfurt waren schnell geschafft.
14. April 2022
Mit dem Zug nach Heldrungen und die letzten 11 km nach Bad Frankenhausen geradelt. Dort bestaunten wir Werner Tübkes Bauernkriegspanorama, nachdem wir uns den Berg über die Blutrinne hochgequält hatten. Dies war wieder ein Erlebnis, wir waren schon 2014 einmal dort. Auf dem Rückweg mussten wir uns sputen, um nicht in den Regen zu kommen. Wir waren so zeitig in Erfurt zurück, dass wir uns noch die Stasi-Gedenkstätte, direkt gegenüber von unserem Hotel anschauen konnten. Ja, die Stasi residierte, mitsamt ihrem Knast, ungeniert mitten in Erfurt. Eine beeindruckende Ausstellung. Die Erfurter waren übrigens die Ersten, die eine Stasi-Zentrale besetzten. Das war am 4. Dezember 1989. Da rauchten schon die Schornsteine, weil Akten verbrannt wurden. Die Stasi wusste schon, warum. Hut ab, für den Mut der Besetzer.
An der Blutrinne. Dort sind am 15. Mai 1525 die unterlegenen und nicht in der Schlacht umgekommenen Bauern, beim Abrücken erschlagen worden
15. April 2022
Wir sind kreuz und quer durch Erfurt geschlendert, bis uns der Rücken weh tat. Wir waren im Dom und auch in der Festung Petersberg, die ich noch nicht gesehen hatte, obwohl wir die Stadt recht gut kennen. Abends in das mehrstöckige Augustiner-Bräu.
Am 16. April sind wir mit dem Zug nach Berlin gefahren. Leider ist unsere Tour nicht ohne Folgen geblieben. Bärbel ist am 19. April positiv auf Corona getestet worden, ich bisher nicht.