Fotografien & Texte

Ostsee 2017


20/21. Mai

Jugendweihe bei Katis Lüttem, Lukas, in Schwerin. Die ganze Familie war wieder mal zusammen. Wir sind alt geworden, aber die Jungen wachsen nach.   

Sonntag der obligatorische Besuch im Schweriner Zoo. Es ist schon toll, wenn man eine Revierzootierpflegerin zur Cousine hat. Dann darf man sogar bedürftige Tapire streicheln, in das Tigergehege durften wir nicht.

Tapirstreicheln


22. Mai

Gesamte Tour, türkis, 300 km Rad, rot, 86 km Bahn


Früh aufgestanden und mit Kati, Ronald und Lukas zusammen gefrühstückt. Ronald brachte Lukas zur Schule und ging dann arbeiten. Wir haben unsere 7 Sachen gepackt, uns von Kati verabschiedet und ab nach Raben Steinfeld, runter zum östlichen Schweriner See. Wir waren frisch und es ging flott ohne Wind voran. Am nördlichen Ende des Sees wurde es dann etwas komplizierter. Ein etwas sandiger Weg führte uns durch ein Naturschutzgebiet nach Hohen Viecheln. Das GPS konnte mal zeigen, was es drauf hat. Weiter über Dorf Mecklenburg nach Wismar. Wismar zeigte sich bei schönem Wetter von seiner besten Seite. Vor einem Café draußen gesessen. Es gab ein Würzfleisch für Bärbel und ein Eis mit Erdbeeren für mich. In Bad Doberan beim Hotel Friedrich Franz Palais angerufen. Ein Zimmer und einen Tisch zum Candlelight Dinner bekommen, schön. In die unterkühlte Nikolai-Kirche gegangen und zum Alten Hafen. Dann weiter in Richtung Kühlungsborn, die zweite 46-km-Etappe. Der Wind frischte auf, natürlich von vorn. Es ging wellig durch die Eiszeit-Landschaft. Eine schöne Gegend etwas über der Ostsee. Dann vom Ostsee-Radweg in Richtung Neubukow abgebogen. Langsam bekam ich Butter in den Beinen.  Ein kurzes Päuschen in einem Wartehäuschen und dann sich die letzten 10 km zum Bahnhof Kühlungsborn gequält. Die letzten 3 bis 4 km wurden uns allerdings geschenkt, es ging gut bergab. Sehr pünktlich zum 15:35 Zug, es gab sogar noch Zeit für ein Bier. Freundliches Personal half uns beim Einladen der Räder in den Zug. Der Molli verband das Angenehme mit dem Nützlichen. Schön, mal wieder Dampfzug fahren zu können. In einer dreiviertel Stunde waren wir über Heilgendamm in Bad Doberan. Zum Hotel, geduscht und zum Candlelight Dinner. Wir waren ganz schön kaputt nach den 92 km. Das Essen war gut. Früh in die Heia.

Der Molli in Kühlungsborn West


23. Mai

Nach dem Frühstück ins Bad Doberaner Münster. Wunderschön, wie immer. Dann die Räder geholt und auf den, von Bärbel mehrmals beschriebenen, Weg aus der Stadt. Komplizierte Kreisverkehre. Leichter Rückenwind trieb uns an Rostock-Lichtenhagen vorbei. Für mich riecht der Ort immer noch nach Kristallnacht. Wer es schon vergessen hat: Im August 1992 warfen, unter dem Beifall der Anwohner, Neonazis Molotow-Cocktails in ein Wohnheim vietnamesischer Arbeitnehmer. Dies ging über 3 Tage. Bis in die Busse, die die Vietnamesen in Sicherheit bringen sollte, wurden sie vom Mob verfolgt. Nix schützende Polizei, die hat sich zurückgezogen, um sich selbst zu schützen. Ein Pogrom, und das heute in meinem Land, das auch noch in der internationalistisch eingestellten Ex-DDR. Wir waren sicher etwas blauäugig, was die politische Einstellung unserer neuen Mitbürger anbetraf. BAP‘s Stück „Kristallnaach“, von 1982 ging mir nicht mehr aus dem Kopf:

Und dann rettet keine Kavallerie,
Kein Zorro kümmert sich darum,
Der pisst höchstens ein „Z“ in den Schnee
Und fällt lallend vor Lässigkeit um:
“Na und? Kristallnacht!“

So wurde die deutsche Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft beschrieben, leider.

Lichtenhagen hat aber auch etwas anderes. Den großen Kühlturm des Kraftwerkes sieht man auf der Fähre nach Gedser fast bis nach Dänemark. Weiter in Richtung Warnemünde und schwierig auf die Fähre zur Hohen Düne. Auf die Sekunde genau auf der Fähre angekommen. Der Ostseeradweg geht oft auf nicht asphaltierten Wegen durch den Wald. Viele Radler sind unterwegs. Wir hatten schon in Bad Doberan gesehen, wie viel Gepäck einer Radlergruppe in einen Kleinlaster geladen wurde. Viele Radler transportieren jedoch ihr Gepäck selbst. In Graal-Müritz eine längere Pause in einem Bistro. Dort haben wir per Smartphone ein Hotel in Prerow gebucht. Die Gegend scheint gut ausgebucht zu sein. Dann ging’s schnurgerade am Strand in Richtung Darß. In Ahrenshoop nahmen wir die Straße, leider recht schmal und gut zu befahren. Die Kilometer zogen sich. Im Hotel Kranich in Prerow umständlich eingecheckt. In die heiße Badewanne gestiegen. Abends ging es zum Italiener ein paar Häuser weiter. Wir waren etwas länger dort, weil es zu regnen angefangen hatte.

Bad Doberaner Münster


24. Mai

Zur Seefahrer-Kirche, sehr hübsch, und dann mit guter Rückenwindunterstützung in Richtung Stralsund. Eine Abkürzung nach Altenpleen gewählt, ca. 3 km eingespart, das hätten wir uns in der Nachwendezeit, wegen der Straßen/Wegeverhältnisse, nicht getraut. Es hat sich schon einiges gewandelt in den letzten 24 Jahren. Eine Pause in Altenpleen, in einem Ensemble aus Bäckerei, Imbiss, Lebensmittelladen und Friseur mit sehr netten Leuten. Guter Kuchen und Gulaschsuppe. Weiter nach Stralsund, die insgesamt 53 Kilometer flogen nur so. Das gebuchte Intercityhotel liegt genau neben dem Bahnhof. Die Räder wurden durch das Foyer in den Fahrstuhl geschoben. Im 1. Stock ist der Fahrradraum. Schönes Zimmer bekommen und die weitere Reise geplant. Für Freitag und Samstag eine Pension in Wolgast gebucht. Alles ist gut durch den Zwickeltag ausgebucht. Fahrkarten von Stralsund nach Greifswald besorgt, dazu später mehr. So läuft die Reise wie geplant, trotz Himmelfahrt. Mit dem Bus zum Hafen. Die Gorch Foch 1 liegt malerisch dort. Ein Bier in einem Braugasthof getrunken und einen Tisch für abends bestellt. In die Nicolaikirche, sehr eindrucksvoll. Als wir 1993 hier waren, hatte uns die Stadt durch die schlechte Hotelsituation abgeschüttelt. Wir waren nur im Meereskunde-Museum und sind dann weiter. Wir hatten einiges verpasst. Diesmal wurden wir doppelt belohnt, weil vieles schön hergerichtet ist. Die Restaurierungen der Nicolaikirche wurden 1993 wegen Geldmangels eingestellt. Die Treuhand hat nichts abgegeben. Jetzt ist sie schon ganz gut in Ordnung. Kurz vor 19 Uhr zurück in den Braugasthof und gut gegessen.

Stralsund


25. Mai

Heute ist Vatertag, viele Mopeds und Motorräder knatterten unter unserem Hotelfenster vorbei, obwohl das Wetter sehr bedeckt ist. Mit dem 6er Bus zum Ozeaneum. 1 € fürs Fotografieren, dafür war es jedoch recht dunkel. Viele Informationen über die Weltmeere erschlugen uns fast. Um 12 Uhr gab es die Fütterung der Humboldt-Pinguine auf dem Dach, putzige Gesellen, die blitzschnell durchs Wasser flitzten. Die Attraktionen waren allerdings die großen Aquarien mit Ost- und Nordseefischen, die weise dahinschwammen. Als Abschluss gab es die große Halle mit den ausgestopften Meeressäugern in Originalgröße. Der richtige Abschluss war allerdings ein Werbestand von Greenpeace, nun ja. Durch die Stadt zurück zum Hotel, die Marienkirche hatte heute Nachmittag zu. Kurze Pause im Hotel und danach noch mal mit dem Bus zum Hafen. Kurzentschlossen auf ein Schiff zur Rundfahrt um die Insel Dänholm. Vorbei an der Gorch Fock, die hier Ende des Zweiten Weltkriegs versenkt wurde, glücklicherweise nicht so tief. Sie konnte wieder gehoben werden, um dann für die Sowjetunion zu fahren. Die Versenker waren endzeit-nationalsozialistische Dilettanten. Ein Segelschiff versenken, damit es nicht dem Feind in die Hände fällt? Dann vorbei an der Werft, die nach der Wende durch die Bremer Vulkan von der Treuhand übernommen wurde, um Fördergelder abzuzocken, die dann ins Stammwerk transferiert wurden. Das war ein mordsmäßiger Skandal. Mann, was in der Wendezeit alles möglich war. Danach gab es zig Besitzerwechsel der Werft, sicher alles zum Wohl der Belegschaft. Nun ja, die Betriebswirte müssen ja auch ihre Daseinsberechtigung haben. Sie halten unproduktiv die Wirtschaft am Kullern. Ob das auf Dauer gut geht? Abends ins Zlata Praha, ein gutes tschechisches Restaurant, das wir uns gestern schon ausgeguckt hatten. Pilsner Urquell und Schwarzbier lang.

Pinguinfütterung im Stralsunder Ozeaneum


26. Mai

Stralsund war wunderbar. Die Stadt hat seit 1993 gewonnen. Wie sitzen im Zug nach Greifswald. Nein, wir sind nicht zu faul oder kaputt. Wir wissen, dass die 30 km nach Greifswald ausschließlich denkmalgeschütztes Kopfsteinpflaster sind. Wer noch keine Schraube locker hat, danach hat er sie bestimmt. 1993 sind wir dort geradelt, ätzend. In Greifswald waren wir in der Nikolaikirche, lohnte nicht. Die Jacobikirche machte erst um 12 Uhr auf. Dann zur Klosteruine Eldena. Sehr romantisch, das fand auch schon Caspar David Friedrich. Die verbleibenden 30 km waren ein Katzensprung, durch den Rückenwind. Die Wirtin in Wolgast war erschreckt, weil wir schon so früh angekommen sind. Wir bekamen aber schon unser hübsches Zimmer. Eine Packtasche umgepackt und weiter ging es in Richtung Karlshagen. Die Wolgaster Klappbrücke war gerade für die Segler offen. So konnten wir gut zuschauen. Die Brücke ist ein Neubau von 1996. Dann ging es holprig weiter nach Karlshagen. Der Ort hat sich in den letzten 24 Jahren ganz schön gemausert. Eine große Marina auf der Peeneseite ist entstanden. Das nette Hotel von 1993, ein ehemaliges Ferienobjekt des „Neuen Deutschland“ steht nicht mehr. Ein Imbiss bei einem rechenschwachen Pärchen. Dann überwiegend über Waldwege bis Koserow. Es waren Hunderte Radfahrer unterwegs. Die üblichen Gruppen-Schlafmützen waren dabei. Nebeneinander fahren, im Pulk, während einer Pause den ganzen Weg verstellen, usw. Im Wald ging es nicht recht voran, deshalb nahmen wir später die Straße. Es gab den üblichen Ärger, dass alle paar Kilometer der Radweg die Straßenseite wechselt, nicht ganz ungefährlich. In Heringsdorf mussten wir auf die Bahn zurück, sonst wäre es zu spät geworden. Viele Räder im Zug, aber die Kondukteurin war sehr gutmütig und lies mehr Räder zu, als erlaubt. Nach 80 km war bei Bärbel das Sitzfleisch kaputt, bei mir ging es. Samstags hat der Schalter bei der Usedomer Bäderbahn zu. Ein Reisebüro im Ort hat morgen zwischen 9:30 und 11:30 offen. Mal sehen, ob wir dort unsere Fahrkarten nach Berlin bekommen. Ich glaube, dass wir es hier in Wolgast besser getroffen haben als in einem großen Ostseebad. Als wir durch Zinnowitz fuhren, war reichlich etwas los. Hier ist es ruhiger.

Klosterruine Eldena


27. Mai

Das Reisebüro hatte nicht offen. So hoffen wir, dass wir die Fahrkarten nach Berlin im Zug bekommen. Online hatten wir es auch versucht, da hätten wir die Fahrradkarten nicht bekommen. Den Vormittag verbummelt, am Hafen geschaut und auf einer Bank gelagert. Um 14 Uhr zum Dampfer, zur Steilküstenfahrt. An der Werft vorbei. Auch hier fiel das Wort Treuhand. Von den - DDR-mäßig vielen - 3000 Mitarbeitern sind - BRD-mäßig wenig - 300 übrig geblieben. Ich weiß, dass in der DDR jede Küchenhilfe zur Belegschaft dazu gezählt wurde, aber ein dermaßen großer Arbeitsplätzeverlust ist für eine kleine Gemeinde wie Wolgast schlecht wegzustecken. Aus der Entfernung grüßte die alte Stadt Lassan herüber. Dort wollten wir ursprünglich, auf Anregung Wolf Biermanns, mit dem Rad hin. Aber Radfahren war nach der gestrigen Tour nicht angesagt. Nach der Dampferfahrt etwas Augenpflege. Abends in ein Lokal, leider alle Plätze draußen besetzt. Gut gegessen.

MS "Der Stralsunder" an der Klappbrücke, an der Wolgaster Fähre


28. Mai

Heißer Tag. Pünktlich zum Bahnhof Wolgast. Die UBB war knüppeldicke voll. Natürlich standen alle Leute im Türbereich. In Züssow in den ebenfalls vollen Zug nach Berlin umgestiegen. Im Zug die Fahrkarten bekommen, in der UBB kam niemand durch. Wir bekamen sogar, mit Ach und Krach, einen Sitzplatz. Ja, Rentner müssen ja auch unbedingt am Sonntag fahren. Es hat sich so ergeben, in der Woche wäre die Rückfahrt sicher stressärmer gewesen.

Diese Reise war fast genauso wie unsere Ostseetour 1993 geführt. Leider hat Bärbel damals kein Tagebuch geführt. Es hat sich viel verändert. Besonders die Hotel- und Gaststättensituation. Dass wir sogar am Wochenende nach Himmelfahrt eine Unterkunft gefunden haben, grenzt an ein Wunder. Die Wendewirren sind vorbei, zumindest wie wir das bemerken konnten. Die Ostseebäder sind vom üblichen internationalen Einerlei. Alles hat geklappt. Keine Panne, daran gewöhnt man sich gerne. Das Wetter war toll. Heute, am Sonntag, hätten wir allerdings einen weichen Keks bekommen.

Usedomer Bäder Bahn am Bahnhof Wolgast