Fotografien & Texte

33 Jahre Twang!, am 17. November 2017


Für Bärbel und mich eine dreifache Hochzeit, auf der wir tanzen durften.

Christians Vernissage in der Galerie 1892 in Berlin-Charlottenburg um 16 Uhr. Er stellte ein paar seiner analogen, also Bilder vom richtigen Film aus. Die Gäste waren die üblichen Verdächtigen. Besonders freute ich mich über Berthold, der trotz seines Alters gekommen war.

Christian Augustin in der Galerie 1892, dieses Bild hat Bärbel ihm abgeschwatzt

 

Berthold, der Senior unsere Leica- und Fotogruppe in Berlin

 

Um 19 Uhr  Essen mit Pirjo,  Päivi  und  Mike  im Café Bleibtreu,  zu  unserem  22. Hochzeitstag. Das Essen war nicht so bedeutend, aber notwendig für das, was wir noch vorhatten.

Pirjo, Mike, Päivi im Café Bleibtreu

 

Um 21 Uhr waren wir dann im Quasimodo unter dem Delphi-Kino angekommen. Dort begann die Party zu 33 Jahre Twang!, Mike’s Independant-Label. Es schwankt eigentlich zwischen 34 und 33 Jahren, aber 33 ist die Umdrehungszahl der 12 Inch (30 cm) Langspielplatte. Korrekt wären sowieso 33 1/3 Umdrehungen. Also? Es war schon recht voll, wir hatten aber reservierte Plätze. Für mich als Fotograf war das aber fast egal. Erst mal durch das Publikum gestreift und Fotos gemacht. Wirklich sehr angenehme Gäste, freundlich, manchmal etwas schrill. Leider war es recht dunkel. Bärbel entdeckte Rainer Schallert, Bassist der Berliner Allies. Dies war eine Berliner Beatband, die meist in den Jugendklubs der Sechziger spielte. Das letzte Mal habe ich ihn in den Kreuzberger Festsälen am Kotti im Jahr 2010 gesehen. Dort standen die Berlin Beat All-Stars auf der Bühne. Die All-Stars bestanden aus den Berliner Bands der Sechziger. Ein Gespräch mit Rainer, so gut es bei der Lautstärke ging. E-Mail-Adressen ausgetauscht, vielleicht treffen wir uns mal zu einem Bier. Um Zehn ging es dann los. Sandy Hobbs, alias Uwe Sandhop, was für ein Wortspiel, stand mit den Weirdo Stompers auf der kleinen Bühne. Routiniert spielten sie ihre erlaubten 3 Stücke. Jede Band sollte 3 bis 4 Stücke spielen, damit auch die 17 geplanten Bands alle aufspielen konnten. Die genaue Zahl der Bands war jedoch vorher nur Eingeweihten bekannt. Dann waren die Popnauts an der Reihe, die eine recht große Fangemeinde mitbrachten.

 

Sandy Hobbs schenkt Mike eine CD, ob das gut geht?

 

Rainer Schallert

 

Päivi und Klaus

 

Weirdo Stompers

 

Bärbel

 

Die Moderatoren des Abends Lothar Berndorff und Sebastian Boes


Bei der nächsten Band hielten sich die beiden Moderatoren, Lothar Berndorff und Sebastian Boes, alias Joe Carrera, die ihre Sache sehr gut machten, auffällig zurück. Uwe mit dem Weirdo Stompers-Bassisten, Joe Nailey alias Jochen Nägele standen auf der Bühne. Noch so ein tolles Wortspiel. Plötzlich stand die göttliche Katja Wingels dabei. Nicht bekannt? Vielleicht, Justine Time? Auch nicht? Na dann, Katharina Franck von den Rainbirds (Blueprint of Your Lover). Oh Mann, darauf habe ich kaum zu hoffen gewagt, daran gedacht schon, irre! Sie ist natürlich nicht mehr so jung wie zur Zeit ihres Riesenhits „Blueprint“, ein unbeschreibliches Stück, 1988. Diesmal unter ihrem Künstlernamen, Justine Time, aus ihrer Zeit bei den Les Black Carnations. Toll bei Stimme und mit einer enormen Bühnenpräsenz. Der Saal kochte, „And so did I“. Ich kann mir vorstellen, wie es in Mike aussah, große Freude und nicht etwa Bitterkeit. Man muss wissen, mit den Les Black Carnations war sie halt bei Twang!. Ihren Hit landete sie allerdings erst, nachdem sie zu einem Major Label gewechselt war. Schade, das hätte sich für Twang! richtig gelohnt. Wenn man von ihrem Hit absieht, war sie bei Twang!, aus meiner Sicht besser. Ihr Titelstück "Black Carnations" hat absolutes Hit-Potenzial. Die Platte von den Les Black Carnations, die ich wie meinen Augapfel hüte, hatte mir Mike zu meinem Zweiundsechzigsten geschenkt. Eine schwarze Scheibe (33 1/3 Umdrehungen/Min), nix CD. Wie es sich für ihn gehört. Die Platte gab es eh nicht als CD und ist längst vergriffen, selbst der Twang!-Chef musste danach suchen. Ja, ich habe noch einen guten, alten Plattenspieler, Bärbel auch. Nach dem Auftritt mischte sich Justine Time unters Publikum, der Vorteil eines kleinen Clubs. So konnte ich ein paar Worte mit ihr wechseln, man kennt sich ja locker über Mike. Dies war die Überraschung des Abends. 4 Stücke gab es, 3 davon mit Texten aus Mike’s Feder. Wer immer diesen Auftritt organisieren konnte, Hut ab. Ich tippe auf Uwe, der ja damals der begnadete Gitarrist bei den Les Black Carnations war, oder Lothi. Bis auf den 2. Gitarristen und den Trommler war die Band wieder vereint. Für sie sprangen Andreas Brunn und Gunnar Berndorff ein. Genug geschwärmt!

Sandy Hobbs, die Sonnenbrillen waren bei den Les Black Carnations angewachsen

 

Justine Time, alias Katharina Franck

 

Es traten noch auf: Profanes, Cuban Rebel Girls, Beatitudes, Petting, Lemonbabies, Hawks, Pierre Le Fou, Groovy Cellar, Mind Kiosk, Beat Godivas, Diee Soc’s, Rhythm ‚n‘ Beat Organization, The What … For!. Kaum eine der Bands war wirklich vollständig. Es sprangen immer wieder Kollegen der anderen Bands ein. Sie kannten das Material der anderen recht gut und sind absolute Profis. Alles ging ohne richtigen Soundcheck. Ob sie vorher geübt hatten? Die Verstärker standen eingeschaltet da, Klinkenstecker rein und los ging‘s. Es gab eine Orgel, ein Schlagzeug und auch die Gitarren wurden oft gemeinsam benutzt. Der Tontechniker hatte viel zu tun, die Kabel auf der Bühne zu entwirren und einzugreifen, wenn irgend etwas nicht ging.


Profanes


Barbara Berndorff, Cuban Rebel Girls


Patrick Schäfer, Popnauts


Sabine Jaeger, Beatitudes


Leeman (Ralph Lehmann)


Kathy, Lemonbabies & Petting


Impressionen des Abends

Ich kann hier nicht alle Bands beschreiben, vor allem, weil ich mich nicht an alles richtig erinnere. Ein paar Bands möchte ich jedoch herausgreifen.

So die Lemonbabies, Mike’s Mädchengruppe, die zusammen mit den Beatitudes seinen Hang  zum Damengesang begründeten. Als die Lemonbabies damals auf Tournee gingen, waren sie noch nicht volljährig, und Mike musste gut auf sie aufpassen. Das hat er den Eltern damals versprechen müssen. Sie traten diesmal zu dritt auf, Diane spielte Gitarre. Überwiegend wurde jedoch A cappella gesungen, nicht so mein Ding. Nein, sie haben noch keine Falten, wie ich vorher geunkt hatte. Auch die Lemonbabies hat Twang! an ein Major Label verloren.

Lemonbabies

 

Die Hawks, Sebastian Boes’ Band, war sehr gut, auch recht hart. Da wollte Sebastians eleganter Alt-Herren-Pullunder, den er als Moderator trug, nicht so recht dazu passen. Er zupfte einen begnadeten Bass. Interessant, beide Moderatoren, Sebastian und Lothar, sind Bassisten.

Hawks, Sebastian Boes

 

Die Diee Soc’s waren punkig und recht heftig. Das Besondere war, dass sie 2 Bassgitarren in der Band hatten. Ich fand das live recht gut, bei Bärbel gab es weniger Anklang.

Diee Soc's

 

Olivier’s Rhythm ‚n‘ Beat Organization war mit vielen Musikern dabei. Sehr spritzig, mit wirklich gutem Material.

Rhythm 'n' Beat Organization

 

Den Abschluss machten die What … For!, verlässlich wie immer. Eine der erfolgreichsten Bands bei Twang!. Sie sind die schärfste Rhythm & Blues-Beat-Gruppe heimischer Produktion seit Jahrzehnten, sehr gediegen und voller Spielfreude. Sie konnten kein Ende finden, obwohl es schon sehr spät war. Die einzige Konkurrenz, als schärfste Band, wären die Boots gewesen, nur von ihnen lebt nur noch Bob Bresser, der Bassist.

The What ... For!, Urs Zelle, Gesang und Stephan Schulz, Bass

 

Um 3:30 waren wir zu Hause, was unsereiner nicht mehr gewöhnt ist. An dem „Jetlag“ hatten wir 3 Tage zu knabbern. Es hat sich gelohnt, ich glaube, es war mit das beste Konzert, bei dem ich dabei sein durfte. Das Konzert der Boots an derselben Stelle 2005 hatte eine vergleichbare Klasse. Auch spielten die Emotionen, jenseits der Musik, bei beiden Konzerten eine wesentliche Rolle. Ich glaube, dass das Mike noch viel intensiver als ich erlebt hat. Auf jeden Fall sollte ich nach dieser Nacht Mike mehr dazu drängen, die Twang!-Geschichte aufzuschreiben. Die Zoten kann er ja weglassen, zumal die meisten beteiligten Leute noch leben.

Die folgenden Tage waren mit Nacharbeiten der Fotoorgie ausgefüllt.

Mike ist am 28. September 2019, viel zu früh, gestorben. Damit ist der Abend im Quasimodo "Twang! 33" leider seine letzte große Retrospektive geworden. Ich hatte auf "Twang! 45" gehofft.

Bärbel und ich haben am 17. November 2017 sehr viel fotografiert. Zusammen mit einem Interview von Stefan Schulz und Lothar Berndorff, einem Gruß-Video der Grip Weeds aus den USA, dem Video-Mitschnitt von Justine Times Auftritt von Jeanette, die ich leider nicht persönlich kenne, und der Sendung der Berliner Abendschau über Mike sind unsere Bilder zu einer Multimediashow zusammengewachsen.

Ich habe fast alle Sendungen Mikes bei Radio Eins, Uni-Radio, Radio Alex und Stone FM in meinem Archiv. Mike hatte nie etwas aufgehoben. Auch sein Fanzine ab Ausgabe 151 habe ich in elektronischer Form, die Vorgänger in gedruckter Form. Als sein Freund fühlte ich mich etwas als Mikes Chronist. Zumindest, was seine Veröffentlichungen betrifft. Wer daran interessiert ist, kann sich gerne bei mir melden.

Wie schon erwähnt, Bärbel und ich haben Mike immer gedrängt, seine Musikgeschichten aufzuschreiben. Bedauerlicherweise ist es nichts geworden, jetzt hat er sie mitgenommen.

Mikes Bericht zu Twang! 33 ist hier zu finden =>