Oder & Neiße 2024 / 25
Unsere zweite Frühjahrs-Radtour an die Oder und die Neiße hatten wir ja wegen des grauslichen Wetters abgebrochen. Jetzt fangen wir an, einige Etappen sternförmig von Berlin aus nachzuholen.
Die Festung Küstrin. Hier wurde Leutnant Katte, der Lover vom jungen Friedrich, dem späteren Großen, geköpft.
St. Marien ist zu neuem Leben erwacht. Frankfurt an der Oder hat sich in den letzten 30 Jahren herausgemacht. Wir waren sehr lange nicht dort.
Familie Welts, Bärbels Ur-Ur-Großeltern, Stammhaus, Lindenstraße 15. Klaus hat nicht einmal eine Stammwohnung.
2025
Samstag, 3. Mai
Wir fangen die Tour vom letzten Jahr neu an, die wir wegen schlechten Wetters gar nicht erst angetreten hatten. Nun, auch heute Nachmittag soll es regnen, schauen wir mal.
Um 4:15 ging der Wecker, oh Mann. Noch ein Jogi und ein Espresso und dann los. Wir sind ortskundig und fahren deshalb nicht zum Bahnhof Zoologischer Garten, weil dort die Räder nicht in den kleinen Fahrstuhl passen. Also ging es nach Charlottenburg, das auch nicht weiter ist. Was gibt es dort? Auch einen Fahrstuhl, der zu klein für Räder ist. Wir hatten jedoch Zeit. Gepäck abgeladen und alles die Treppen hochgebuckelt. Der Zug war pünktlich, ein Doppelstöcker, in den man ebenerdig die Räder reinschieben kann. In knapp 2 Stunden nach Cottbus. Der Zug hatte Verspätung, aber der Anschlusszug stand am Gleis gegenüber und wartete. Pünktlich in Görlitz. Ein kurzer Abstecher zum Eisenbahn-Viadukt, auf der polnischen Seite der Neiße entlang, mit einem schönen Blick auf die Peter-und-Paul-Kirche mit den verunglückten Türmen, dann die 70 km nach Bad Muskau. Ein Päuschen mit Suppe in Rothenburg. Die Kilometer zogen sich, wir sind meistens nicht den Neiße-Radweg gefahren, sondern die Landstraße, etwas kürzer und bequemer. Etwas matt in der Pension Parkstüberl angekommen, genau zum Beginn des angekündigten Regens. Abends essen, das erste Restaurant war voll. Im Muskauer Hof manierlich gegessen. In Bad Muskau ist Bargeld angesagt. Weder im Hotel noch in den beiden Restaurants gibt es Kartenzahlung.
Sonntag, 4. Mai
Pünktlich um 8 zum guten Frühstück. Dann auf die Räder geschwungen und zum aufgelassenen Braunkohlen-Tagebau „Babina“ (Oma) gefahren. Es ging über die blaue Eisenbahnbrücke, eine stillgelegte Bahntrasse, gleich hinter Bad Muskau, nach Polen. Leicht bergauf, an 2 Seen entlang zu einem Aussichtsturm. Der Tagebau war von 1920 bis 1973 in Betrieb, er bestand nur aus aufgewühlter Erde. Davon ist heute kaum noch etwas zu sehen. In den Löchern sind die Seen entstanden und alles ist aufgeforstet worden. Ein romantisches Stück Erde. Das letzte Mal, dass wir so etwas gesehen haben, war am Bocksberg, auch in der Lausitz. Dort war alles ganz neu, die Seen waren schon da, aber die Bäume ganz mickrig. Diesmal haben wir sehen können, wie schön es werden kann. Der Braunkohlen-Bergbau frisst das Land. Auf dem Rückweg sind wir durch den Fürst-Pückler-Park gefahren, als uns Sigrid und Ulli anriefen, wir sind schon in Bad Muskau. Sie standen gleich um die Ecke. Im vorigen Jahr wollten wir von ihnen von Kolkwitz aus in diese Richtung starten. Es war ja wegen des Wetters nichts geworden. Wir sind dann gemeinsam durch den Park. Das Schloss ist prächtig geworden, als wir es Anfang der Neunziger das erste Mal sahen, war es eine ausgebrannte Ruine. Inzwischen sind allerdings wieder Gerüste notwendig. Danach ging es über den quirligen Polenmarkt und dann in eine Pizzeria zum Essen. Mit dem Auto sind wir dann noch nach Kromlau, zum Rhododendron-Park, gefahren. Leider blühten sie kaum, es ist noch zu früh im Jahr.
Montag, 5. Mai
Vorbei am Grab von Machbuba, Fürst Pücklers kindliche Gespielin, was für ein verharmlosender Begriff. Er hat das schwarze, elfjährige Mädchen auf einem Sklavenmarkt in Khartum gekauft und missbraucht, davon ist auszugehen. Mit dieser Ungeheuerlichkeit hat Hermann von Pückler-Muskau sämtliche Sympathien verspielt. Auch der restliche egoistische Lebensansatz des Playboys ist sehr fragwürdig.
Danach erst mal falsch gefahren, doch noch den richtigen Weg gefunden. Ein Besuch bei Pusacks Ziegen, eine schöner als die andere. Zum verlieben. Unter dem Lastwagenstau auf der Autobahn bei Forst hindurch und den Wasserturm in der Innenstadt bewundert. Bei Grießen gab es einen Aussichtspunkt, mit Überblick über den riesigen Braunkohlen-Tagebau Jänschwalde. Kurzes Stück auf der ruhigen Bundesstraße gefahren und prompt von einer Raserin angehupt worden. Nein, es war keine Kraftverkehrsstraße, den Autos gehört trotzdem die Straße, so glauben die Fahrer.
Nach dem zweiten Mal 70 km ziemlich k. o. in der Wilhelm-Pieck-Stadt-Guben an der Fahrrad-Pension angekommen. Es ist Montag, da hat in Brandenburg fast jedes Restaurant geschlossen. Deshalb sind wir in den polnischen Teil der Stadt gefahren und haben dort sehr gut und preiswert gegessen. Es gab ein in einen Kartoffelpuffer eingewickeltes Schweinegulasch und eine Rinderroulade. Machte mit je 2 alkoholfreien Bieren etwas über 38 €. Sonst ist nicht viel von der Stadt zu berichten, außer von der großen Kirchenruine.
Dienstag, 6. Mai
Die Rückfahrt nach Frankfurt/Oder verworfen. Es geht nur nach Eisenhüttenstadt, etwa 28 km, die halbe Miete. Am Kloster Neuzelle vorbei kamen wir durch Ratzdorf, wo die Neiße in die Oder fließt, ein schönes Fleckchen Erde. Ratzdorf war Schauplatz des Oderhochwassers 1997. Mit dem Hochwasser machte sich Matthias Platzeck zum Deichgrafen, bzw. Funk und Fernsehen machten ihn dazu. Immerhin hat er nicht auf dem Deich gelacht und hat auch mal einen Sandsack angefasst. Das war bei Laschets Hochwasser ganz anders. Die Linke:
Ist Dein Dorf unter Wasser, steigen Reiche auf die Yacht,
ein Plakat am Neiße-Ufer. In Eisenhüttenstadt die trutzige Kirche besichtigt und auf den Zug nach Frankfurt und weiter nach Berlin. So waren wir zeitig zu Hause und konnten abends noch zum Senioren-Turnen gehen. Nur so rechte Lust kam nicht auf, wir waren etwas angeschlagen. Ich hatte leichte Magenprobleme. Trotz der Kälte zu viel Sonne?
Begrifflichkeiten: Die Oder-Neiße-Linie, von den Alliierten und den Berufs-Heimatvertriebenen so genannt, die Friedensgrenze der DDR und Oder-Neiße-Grenze, irgend etwas dazwischen. Die DDR hatte die Friedensgrenze zu Solidarność-Zeiten (ab 1979) geschlossen. Inzwischen kann man zwischen Polen und Deutschland hin- und herfahren, ohne dass man etwas merkt, außer dass vielleicht manche Schilder anders aussehen. Ein seltsames Gefühl beschleicht einen jedoch trotzdem, wenn man, in Ruhe, die letzten 90 Jahre betrachtet. Was waren das zwischen 1933 und 1989 für schreckliche Zeiten! Der Länderklau geht nun leider in Europa von Neuem los. An der Oder und Neiße ist es jetzt aber seit 1945 europäische Realität und so soll es bleiben!
Wird fortgesetzt